Jede Frau zählt

Frauen in MINT-Berufen sind in Deutschland immer noch rar gesät. Das ist nicht überall so, weiß HR-Mitarbeiterin Tamunosiki Tende von Secusmart.

 

 

In Indien beträgt sie 43 Prozent, in Algerien 58, in Myanmar sogar über 60. Von solchen Frauenquoten in den MINT-Studiengängen kann man im Westen nur träumen. In den USA, Frankreich oder Großbritannien dümpeln die Zahlen seit Jahren bei knapp einem Drittel. Deutschland taucht mit seiner Quote von 34 Prozent gar nicht erst in den Top-Rankings auf. Woran liegt es, dass sich in vielen Entwicklungsländern mehr Frauen als Männer für naturwissenschaftliche und IT-Berufe entscheiden? 

 

Tamunosiki Tende erlebt dieses Phänomen jeden Tag hautnah. Als HR-Mitarbeiterin bei Secusmart gehen sämtliche Bewerbungen für das IT-Unternehmen über ihren Schreibtisch. Zwar stammt nur ein kleiner Anteil von Bewerberinnen, von diesen haben jedoch über die Hälfte einen ausländischen Pass. „Die meisten kommen aus Indien oder Pakistan“, so Tamunosiki. Viele sind zum Studieren nach Deutschland gekommen. Hier ist das Studium günstig und Fachkräfte werden händeringend gesucht. 

 

Prestigeträchtig, gut bezahlt, sicher 

 

Was sie motiviert hat, einen MINT-Beruf zu ergreifen? Diese Frage stellt auch das HR-Team standardmäßig in Bewerbungsgesprächen. In den Antworten der ausländischen Frauen spielen oft wirtschaftliche Faktoren eine Rolle, erklärt Tamunosiki: das hohe Prestige, das gute Gehalt und die Stabilität. „Diese Jobs bedeuten finanzielle Unabhängigkeit – allerdings nicht nur für Frauen aus Entwicklungsländern, sondern für alle unsere Bewerberinnen.“

 

Das Gleichberechtigungsparadoxon

 

Für Frauen aus diesen Ländern habe Unabhängigkeit trotzdem meist eine höhere Relevanz, sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch sie haben in vielen Studien beobachtet: Je größer die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in einem Land, desto höher der dortige Frauenanteil in MINT-Fächern. Sie sprechen bei diesem Phänomen vom „Gender-Equality Paradox“. Ihre Erklärung dafür liegt in den Chancen zur Emanzipation, die die MINT-Fächer bieten. Im Gegensatz dazu ist die Berufswahl für Frauen in westlichen Gesellschaften mit einer hohen Gleichberechtigung weniger eine Form der finanziellen Absicherung, sondern eher der Selbstverwirklichung. 

 

Interessanterweise führt das dazu, dass Frauen hier vermehrt wieder zu klassisch „weiblichen Berufen“ wie Lehrerin oder Krankenpflegerin tendieren. Traditionelle Rollenbilder wirken also bei Frauen offensichtlich stärker, wo existenzielle Fragen in den Hintergrund treten. Auch wenn das Gleichberechtigungsparadoxon und diese Erklärung von vielen Forschenden inzwischen als zu eindimensional kritisiert wird, spielt diese Hypothese immer noch eine große Rolle.

 

Mehr Anstrengung, um sichtbar zu sein

 

Dass MINT-Fächer in Ländern wie Indien oder Pakistan weniger männlich konnotiert seien, bezweifelt Tamunosiki trotzdem: „Die MINT-Stereotype ähneln sich meiner Erfahrung nach eigentlich überall.“ Einen Unterschied hat sie trotzdem zwischen den Bewerberinnen festgestellt. „Frauen mit ausländischen Wurzeln haben häufig weniger Selbstbewusstsein als ihre deutschen Mitbewerberinnen – dabei sind sie oft besser ausgebildet und haben einen größeren Erfahrungsschatz“, so Tamunosiki. 

 

„Viele dieser Frauen sind wahnsinnig fleißig, weil sie es aus ihrem Heimatland gewohnt sind, sich mehr anstrengen zu müssen, um überhaupt sichtbar zu sein.“ Umso wichtiger ist es Tamunosiki, diese Frauen zu fördern: „Jede Frau mehr in einem IT-Job ist ein Vorbild mehr und bewegt vielleicht andere Frauen dazu, sich für den MINT-Bereich zu entscheiden – sowohl in Entwicklungsländern als auch bei uns.“

Tamunosiki Tende, 

HR-Mitarbeiterin bei Secusmart

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